Erfahrungsbericht: Eine Urlaubsfahrt mit dem VW ID.7
Wir, eine dreiköpfige Familie aus Graz, denken viel über ökologische Lebensweisen nach. Und wir reisen gern. Als wir vor zwei Jahren feststellten, dass unser Urlaubsziel Bretagne statt mit unserem Multivan schneller und günstiger mit dem Hochgeschwindigkeitszug TGV erreichbar gewesen wäre, beschlossen wir das Jahr darauf, mit dem Zug in den Urlaub zu fahren. 2023 waren wir in Wales, wir lehnten uns bei 320 km/h bequem in die Sitze zurück und fanden das recht fein. Heuer sollte es in die Alpen gehen, wieder ökologischer als mit dem Verbrenner. Ein E-Auto böte sich an, dachten wir.
Maine Coon-Dame Dakota, Chefin unserer ersten Unterkunft, unterstützt beim Reiseberichtschreiben.
Ein Reisestart mit vielen Fragen
Dass der VW ID.7, den uns Volkswagen zur Verfügung stellte, ein bequemes Reisegefährt werden würde, war uns schon beim Einsteigen und vor allem beim Wegfahren klar. Gleichzeitig fragten wir uns: Wie bekommt man das 5-Meter-Schiff durch Frankreichs enge Altstadtgassen? Was, wenn im letzten Bergtal der Strom knapp wird und keine Lademöglichkeiten gegeben sind? Wie verhält es sich mit den Reichweite-Angaben, wenn dauernd die Klimaanlage läuft, die Harman/Kardon-Anlage im Dauerbetrieb ist und das noch laut, und Fahrer und Beifahrer auf die Vorzüge der Massagefunktion gestoßen sind? Mit vielen vorgefassten Meinungen und wenigen Erfahrungswerten starteten wir los: von den Dolomiten über die Schweiz nach Frankreich an die Cote d‘Azur. Viertausend Kilometer, mit wie vielen Überraschungen?
Supercharger sind schnell – aber teuer
Die erste Erkenntnis kam vor der Abfahrt. Sie lautete: Supercharger sind, wie der Name schon sagt, super. Weil der ID.7 unsere in die Jahre gekommene Haushalts-Kabeltrommel nicht akzeptierte, konnte das vor der Haustür geparkte Fahrzeug über Nacht nicht geladen werden. Also luden wir bei der Supercharger-Station des nahegelegenen Shoppingcenters, statt 25 Cent die Kilowattstunde, die wir zuhause bezahlen, um knapp 58 Cent. Noch immer günstig, wie wir später feststellen sollten, an der teuersten Ladestation kostete die Kilowattstunde über einen Euro.Fürs Schnellladen muss man leider mitunter recht tief in die Tasche greifen. Erkenntnis Nummer zwei gleich am nächsten Tag: ein gutes Gefühl. Schon zu Beginn wurden wir unseres Reisemottos untreu, nämlich nicht dorthin zu fahren, wohin alle sind. Denn auf die Idee, an einem schönen Juli-Tag die Drei Zinnen zu umrunden, kamen gefühlt fünftausend andere Menschen auch. So stauten wir uns hoch zur Mautstelle, 45 Minuten im Stop-and-Go-Verkehr. Und hier zeigt das E-Auto klare Vorteile. Bremst man, ist auch der Motor aus. Erkenntnis Nummer drei nach diesem Volkswandertag: Auf zehn Kilometern steiler Bergabfahrt erzeugten wir durch die Rekuperation, also die Energiegewinnung durch optimale Ausnutzung der Bremsvorgänge, Strom für weitere 40 Kilometer. Ein gutes Gefühl fürs Umweltbewusstsein und fürs Geldbörserl.
Die erste Überraschung bei der Rückfahrt von den Drei Zinnen: Durch die Rekuperation gewannen wir 40 Kilometer dazu.
Der Strommix muss grüner werden
Mit dem Thema Elektromobilität im Reisegepäck entstehen neue Fragen: Wie sieht der Strommix im jeweiligen Land aus? Ist das gute Gefühl beim Staustehen in Italien gerechtfertigt, wenn die Hälfte des dort verkauften Stroms aus fossilen Energieträgern gewonnen wird? In Frankreich deckt die Atomenergie 65 Prozent der Versorgung ab, der Anteil an Erneuerbaren liegt bei 25 Prozent. In der Schweiz stammen fast 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energieträgern, 20 Prozent aus Kernenergie und zwei Prozent aus fossilen Brennstoffen. Auch Österreich ist mit 59 Prozent Wasserkraft, 25 Prozent anderen Erneuerbaren und 16 Prozent Fossilen recht vorbildlich. Öffentliche Ladestationen für E-Autos, so versichert uns Andreas Reinhardt vom Bundesverband Elektromobilität Österreich (BEÖ), werden alle mit erneuerbarem Strom versorgt.
Früh laden ohne Experimente
Mit unserem größten Vorurteil starteten wir in den dritten Urlaubstag: dem Laden, das, so dachten wir, viel Urlaubszeit verschlingen würde. Der ursprüngliche Plan war ja, Ladestopps in Städten und an Orten durchzuführen, die wir ohnehin besichtigen wollten. Doch daraus wurde nichts. Gute und vor allem schnelle Ladeinfrastrukturen finden sich eher bei Einkaufscentern als in historischen Altstädten. Was wir uns an diesem Tag für den gesamten Urlaub mitnahmen: Lademöglichkeiten stets gegenchecken, also zusätzlich zum Navigationssystem des Autos über eine App (Chargemap) prüfen, ob der Charger tatsächlich existiert beziehungsweise frei ist. Einzig in Italien, wo manche Stromanbieter die Anweisungen auf den Ladestationen strikt nur auf Italienisch preisgaben oder ausschließlich Kundenkarten des Anbieters akzeptierten, hatten wir Probleme. Für die meisten Stationen des gesamten Urlaubs aber galt: Strom gibt es nach Anmeldung über App mit Hinterlegung der Bezahldaten oder über Bankkarte, durchwegs gute Erfahrungen machten wir mit der Handybezahlfunktion. Sobald der Ladestand auf Orange wechselte, steuerten wir eine Stromtankstelle an, sicher ist sicher. Somit können wir auch keine Bilanz über die definitive Reichweite geben. Wir legten Pausen ein, wie wir es mit dem Multivan auch gemacht hätten, nur dass wir die Zeit zum Laden nutzten.
Im Gegensatz dazu Italien: Leider kein Strom und keine Ahnung, warum das Laden nicht funktioniert.
Neue Qualität: Gleiten statt hetzen
Am dritten Tag standen 500 Kilometer reine Autobahnfahrt an, vom Osten Norditaliens an die Grenze zur Schweiz. Der Verkehr war dicht, doch das Reisen im ID.7 verlangt ohnehin nicht nach Schnelligkeit. Das Fahrgefühl erinnert an das Dahingleiten, wie man es von den Autobahnen der USA oder Schwedens kennt. Auch für uns ergab sich eine Reisegeschwindigkeit von maximal 120 km/h und damit ein vorbildlicher Verbrauch, den wir unter bestmöglicher Ausnutzung der Rekuperation den gesamten Urlaub über beibehalten sollten: Während Fahrtests für den ID.7 von 18 Kilowattstunden und mehr berichten, lag unser Wert bei 17,2 Kilowattstunden und darunter, doch dazu später mehr. Irgendwie, so dachten wir uns öfter in diesem Urlaub, bringt Elektromobilität ein neues Fahrgefühl, Gleiten statt Hetzen, denn letzten Endes führt ein langfristiger kräftiger Tritt ins Gaspedal vor allem eines: schneller zur nächsten Ladestation. Wir fragten uns indes, wie sich durch bewusstes Fahren mehr Strom sparen ließe. Hier boten uns die vielen Bergfahrten Aha-Erlebnisse, etwa die erfreuliche Bilanz, wenn die energieintensive Bergauffahrt letzten Endes durch die Stromrückgewinnung durch die Rekuperation überkompensiert wurde.
Auch bei 130 km/h blieb der Verbrauch erstaunlich niedrig.
Die Schweiz macht’s richtig
In der Schweiz hat man sich auf E-Mobilität vollumfänglich eingelassen. Es gibt Ladestationen im letzten Talschluss, im Parkhaus vor Zermatt lädt das Auto bequem, während man mit dem Zug in den autofreien Ort fährt oder auf das Gornergrat, um diesen grandiosen Blick auf das Matterhorn zu ergattern. 120 Ladestationen sind im Parkhaus, freilich nicht alle ausgelastet, aber es wäre nicht die Schweiz, dächte man nicht an die Zukunft und künftige Entwicklungen. In der Schweiz sind Ladestationen mit eigenem WLAN ausgestattet, damit auch die Zahlung über Handyapp funktioniert, sollte kein Roaming-Dienst vorhanden sein. Den Genfersee im Rücken und die französischen Berge vor den Augen baten wir insgeheim darum, dass uns Frankreich nicht enttäuschen möge. Tat es auch nicht.
Der große „Beef“: Verbrennerfahrer gegen E-Auto-Fans
In Frankreich scheint man ebenfalls einen größeren Plan zu haben. Regierung und Industrie steckten zuletzt einen Milliardenbetrag in die E-Mobilität mit dem Ziel einer Vervierfachung der Absatzzahlen von E-Autos. 800.000 Fahrzeuge will man bis 2027 verkauft haben. Auf den Straßen macht sich das schon bemerkbar, wenn es sich bei vielen der gesichteten E-Autos auch um Urlauberfahrzeuge, vornehmlich aus dem Norden Europas, handelte. Während auf Frankreichs Straßen Verbrennerautos und E-Fahrzeuge mehr oder weniger gemütlich vor sich hinglitten, rüsteten sich Befürworter und Gegner der Elektromobilität auf Social Media. Unseren Reisebericht veröffentlichten wir auf Instagram (unter ecotrip-travel), begleitend wiesen wir auf Facebook (unter Franz Kreimer Keys) auf unsere Reise hin. Dort wehte der Wind auch recht nachhaltig, ein Post schaffte es auf 1200 Kommentare. Überzeugte Verbrennerfahrer fielen über E-Autobesitzer her und umgekehrt.
Tolle Kulisse für eine Testfahrt: Entrevaux in der Haute Provence
Kluge Technik: leise, kraftvoll und sparsam
Wir amüsierten uns indes und steuerten unser letztes Ziel an, Menton an der Cote d’Azur. Dort hatte das Auto Pause. Unser Resümee: Der ID.7 von Volkswagen ist ein prima Reisefahrzeug, insbesondere Verbrauch und Rekuperationsfähigkeit haben uns schwer überzeugt. Es ist ein leises, kraftvolles Dahingleiten, das die alten Werte des Autofahrens, die sich noch immer vorrangig um PS und Fahrzeugleistung drehen, über den Haufen wirft. Ein bisschen ist es auch nobles Understatement: Mühelos könnte man mit dem 210 kW / 286 PS starken Elektromotor jeden getunten Sportwagen im Windschatten lassen, man tut es aber nicht. Schade um den Strom.
In Frankreich lässt man sich zum Laden bequem nieder, sogar mit Blick auf die Cote d’Azur.
Ein bisserl zu Fuß gehen schadet nicht
Wir übernahmen das Fahrzeug mit gut 8000 Kilometern und einem Durchschnittsverbrauch von 17,2 kWh und gaben es nach 4000 Kilometern mit einem Schnitt von 16,8 kWh zurück. Auch mit den in Österreich erlaubten 130 km/h stieg der Verbrauch nie über 17,2 kWh. Günstiger ist E-Autofahren gerade auf Urlaubsfahrten leider nicht, die kW-Preise variieren stark, vor allem beim Schnellladen. So kamen wir auf einen Schnitt von 12,8 Cent pro Kilometer, bei einem neuen Verbrenner mit einem Durchschnittsverbrauch von sieben Litern würden sich bei einem Dieselpreis von 1,90 bis 2 Euro, so viel zahlt man in den Alpenländern aktuell, Treibstoffkosten von 13,3 Cent/km errechnen. Würde man nur Haushaltsstrom laden, wären das schlanke vier Cent pro Kilometer.
Fahrkomfort und Ausstattung ließen nichts zu wünschen übrig, wir hätten uns jedoch mehr Zeit nehmen müssen, um die gesamte Ausstattungspalette zu erkunden. Übrigens: Eine enge Altstadtgasse verweigerte der ID.7: Er fand auf den über die Jahrhunderte glatt polierten Steinplatten keinen Grip und auch die Antischlupfregelung konnte nicht mehr helfen, was die die Weiterfahrt stoppte. Das Auto blieb fortan auf den Parkplätzen am Stadtrand und wir erinnerten uns ein bisschen an die Mütter, die unsere Väter stets ermahnten: „Ein bisserl können wir schon noch zu Fuß gehen!“
Er passt durch. Trotzdem geht man manche Strecken besser zu Fuß.
Testfahrer war Franz Kreimer, Musiker (EAV, Ausseer Hardbradler), Musiklehrer und e-Hybridfahrer. Als Beifahrerin, Navigatorin, Ladestationenüberwacherin und Textverfasserin war Daniela Müller, freie Journalistin (Salzburger Nachrichten) an Bord. Sohn Luis (11) fand vor allem die Massagefunktion des Beifahrersitzes großartig. Den Reisebericht nachlesen kann man auf Instagram unter ecotrip_travel, den „Beef“ Verbrennerbefürworter – E-Autofahrer auf Facebook unter Franz Kreimer Keys.