Prof. Dr. Bernhard Geringer im Gespräch: Ein persönlicher Rückblick auf mehr als 20 Jahre „Porsche Preis“
Motoren sind Ihr Leben, und das seit fast einem halben Jahrhundert. Warum sind Sie von dieser Technik so fasziniert?
Bis vor einigen Jahren hat vor allem der Verbrennungsmotor wesentlich den Charakter eines Automobils geprägt. Etwa ob es sportlich ist und Fahrfreude bietet oder leise und laufruhig fährt. Das ändert sich jetzt mit elektrischen Antrieben, die sich deutlich weniger voneinander unterscheiden. Dann treten andere Fahrzeugfunktionen mehr in den Vordergrund, von Komfort über Design bis zu vermehrten Bedien- und Sicherheitsfeatures.
In Ihrer Position an der Technischen Universität Wien waren Sie in den letzten 21 Jahren maßgeblich in die Vergabe des „Porsche Preises“ involviert. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Ich war sogar schon vor der Übernahme der Professur 2002 seinerzeit von 1983 bis 1988 hier am Institut und hatte schon einige Verleihungen als Gast miterlebt, etwa die an Hans Mezger für den Formel-1-Motor. Seit 2002 bin ich als Institutsvorstand entsprechend den Statuten für die Organisation des Preises zuständig. Dazu gehören sowohl das Entgegennehmen und eigene Kreieren von Vorschlägen für mögliche Preisinhalte als auch die Abstimmung mit dem Rektorat und Dekanat sowie den externen Jury-Mitgliedern. Man kann sich für diesen Preis nicht bewerben. Es sind immer drei bis vier eigene Vorschläge der Jury, über die dann abgestimmt wird. Soweit ich mich erinnern kann, haben wir das immer einstimmig geschafft.
Professor Dr. Bernhard Geringer von der TU Wien über die Bedeutung und seine persönliche Beziehung zum „Porsche Preis“
Sie haben seit 2003 insgesamt elf Preisverleihungen in verantwortlicher Position miterlebt. Welche ausgezeichnete Innovation war für Sie in dieser Zeit die bedeutendste?
Da fällt mir sofort die LED-Lichttechnologie von 2011 ein, die Audi zum ersten Mal in Großserie angeboten hat. Ich hätte nie erwartet, dass diese bereits wenige Jahre später fast schon Standard bei mittleren und unteren Fahrzeugkategorien sein würde. Es war faszinierend, wie schnell LED die Xenon-Technologie überholt hat und bessere Ausleuchtung in die Masse der Fahrzeuge gebracht hat. Dagegen hätte ich erwartet, dass die vier Jahre vorher ausgezeichnete Carbon-Keramik-Bremse sich schneller in den oberen Klassen etabliert. Sie ist immer noch eher eine Sonderkategorie. Hier zeigt sich das generelle Thema: Wie schnell kann man eine Technologie preislich günstiger umsetzen?
Und welche Vergaben waren vielleicht die wichtigsten in der gesamten Historie des „Porsche Preises“?
Wenn ich mir die Liste aller Preisträger anschaue, dann war das ABS schon 1981 ganz wesentlich für den Sicherheitsgewinn und im Anschluss daran 1999 das ESP, das heutzutage auch gesetzliche Pflicht ist. Gerade zum ESP gibt es Untersuchungen, dass dadurch 25 bis 30 Prozent der Unfälle, von Verletzten und Getöteten vermieden werden können. Daher ist für mich das ESP das Highlight, weil es das Übersteuern und Ausbrechen des Fahrzeugs, das Schleudern in den Gegenverkehr oder im Winter das unbeabsichtigte Verlassen der Fahrbahn beim starken Beschleunigen oder Bremsen deutlich reduziert. Es schützt ungeübte oder gar überforderte FahrerInnen und geht damit noch viel weiter als das ABS.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung des Preises in der Zukunft? Werden sich die Schwerpunkte durch die Transformation in der Automobilbranche verschieben?
Die Kernthemen haben wir nach wie vor: Es geht um Sicherheit, Ressourcenschonung und Gesundheit. Das ist unabhängig vom Antrieb. Mit Blick auf die Statuten des Preises tun wir uns allerdings immer schwerer. Denn bislang ist die Auszeichnung auf einzelne oder zwei Personen bezogen gewesen. Einzelne Erfinder gibt es aber streng genommen kaum noch. Entwicklung ist in hohem Maße Teamwork, einzelne Personen werden stellvertretend ausgezeichnet. Und in einer globalen und vernetzt arbeitenden Welt ist auch die Eingrenzung auf Europa immer schwieriger einzuhalten. Inhaltlich sehen wir weniger Revolutionäres wie früher das ESP, aber sehr wohl eine evolutionäre Weiterentwicklung. Wichtig ist für mich aber immer, was Eingang in die Serie findet und dem Kunden wirklich weiterhilft.
In diesem Jahr wurden Porsche und HIF Global für die erste industrielle E-Fuel-Produktion in Chile ausgezeichnet, nachdem schon 2005 die Entwicklung synthetischer Kraftstoffe den „Porsche Preis“ erhalten hatte. Warum ist für Sie auf dem konsequent eingeschlagenen Weg der Automobilindustrie das Thema E-Fuels so wichtig?
Damals waren die ausgezeichneten synthetischen Kraftstoffe eigentlich Bio-Kraftstoffe der zweiten Generation. Sie werden aus biogenen Reststoffen und Abfällen gewonnen und stellen keine Konkurrenz zu Lebensmitteln dar. Der Erfolg lässt leider auf sich warten, es scheiterte bis dato an der Umsetzung in der Großserie. Bei den diesmal ausgezeichneten E-Fuels handelt es sich um etwas anderes. Sie werden über die Elektrolyse gewonnen und sind nicht auf biologische Rohstoffe angewiesen. Diese Technologie kann theoretisch mengenmäßig die gesamten fossilen Kraftstoffe ersetzen. Die Kostenseite ist noch ein anderes Thema. Aktuell müssen wir grüne Energie importieren, weil uns in Mitteleuropa die nachhaltigen Energiequellen Sonne und Wind nur selten in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.
In nordafrikanischen und arabischen Wüsten sowie im windreichen Chile begrenzt einzig die Größe der Anlage die Menge von regenerativ erzeugter Energie. Doch diese nach Europa zu bringen, ist nicht so einfach. Als verflüssigter grüner Wasserstoff wäre der Transport in Tankschiffen möglich. Doch das ist aufwendig und noch ohne passende Infrastruktur. Aus dem Wasserstoff generierte synthetische Kraftstoffe wie die E-Fuels lassen sich hingegen in bestehenden Infrastrukturen transportieren und auch langfristig speichern. Damit machen sie Energie überall auf der Welt und vor allem zu jeder Zeit verfügbar.
Verleihung des „Porsche Preis der Technischen Universität 2023“: Professor Dr. Bernhard Geringer, Vorstand des Instituts für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der TU Wien, Dr. Wolfgang Porsche, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Porsche AG, Dr. Hans Michel Piëch, Mitglied des Aufsichtsrats der Porsche AG, Dipl.-Ing. (FH) Karl Dums, Teamleiter Politik und Governmental Affairs, Porsche AG, Professorin Dr. Sabine Seidler, Rektorin der TU Wien, Dipl.-Ing. Rolf Schumacher, Chief Innovation Officer von HIF Global, Berlin, Dipl.-Ing. (FH) Marcos Remedios Marques, vormals Projektleiter E-Fuels, Porsche AG, jetzt HIF Global und Dr. Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender Volkswagen AG und der Porsche AG (v.l.n.r.)
Ein weiterer Vorteil ist die verlängerte Nutzbarkeit der Bestandsfahrzeuge, von denen aktuell weltweit rund 1,3 Milliarden unterwegs sind.
Ganz genau. Das Thema Bestandsfahrzeuge wird in Europa momentan gar nicht beleuchtet. In den Diskussionen geht es in der Regel um Neufahrzeuge. Aber in der Übergangszeit – und da geht es um 15 bis 20 Jahre – könnten Bestandsfahrzeuge sofort mit E-Fuels fahren, oder zumindest mit Anteilen davon. Aktuelle Studien zeigen, dass die Pariser Klimaziele nicht allein durch das Hochfahren der Elektromobilität zu erreichen sind, wenn nicht für Bestandsfahrzeuge eine Lösung gefunden wird.
Welche Antriebsart ist aus Ihrer Sicht die beste für die nächsten Jahrzehnte?
Am Anfang stehen immer die Energieform und die Verfügbarkeit, sowohl in der Menge als auch örtlich. Ich werde oft gefragt, welches Auto man sich momentan kaufen sollte. Da gibt es keine allgemein gültige Antwort. Wenn ich Zugang zu grünem oder sehr CO2-armen Strom habe und vorwiegend kurze oder mittlere Strecken fahre, dann ist das Elektroauto für ein großes Publikum ideal. Es ist komfortabel, leise und wartungsarm. Aber ich muss dafür Lademöglichkeiten haben, was etwa in der Stadt momentan für viele Menschen schwierig ist. Für längere Fahrten bin ich optimistisch, dass das Schnellladenetz zügig ausgebaut wird. In Mitteleuropa ist das schon recht gut, im Süden wird es oft schon schwierig. In Weltregionen ohne oder mit schlechter elektrischer Infrastruktur werden Verbrennungsmotoren weiterhin die Mobilität garantieren.
Sie gehen in Kürze in den Ruhestand. Wie viel Anteil werden Motoren künftig in Ihrem Leben noch haben?
Ich werde weiter als Vorsitzender im Österreichischen Verein für Kraftfahrzeugtechnik ÖVK tätig sein. Dieser veranstaltet auch das Wiener Motorensymposium in der Hofburg in Wien. Ich verfolge also die aktuellen Entwicklungen weiterhin sehr genau und kümmere mich unter anderem darum, KollegInnen für Vorträge anzuwerben. Der Verein unterstützt auch Studierende bei Dissertationen oder Projekte wie die Formula Student. Und natürlich stehe ich auch weiter zur Verfügung, wenn jemand Rat von mir möchte.
Der „Porsche Preis der Technischen Universität Wien“
Der „Porsche Preis der Technischen Universität Wien“ zählt auch im 46. Jahr seines Bestehens zu den renommiertesten und höchstdotierten Auszeichnungen für wegweisende Forschungs- und Entwicklungsleistungen auf dem Gebiet der Fahrzeugtechnik. Die Auszeichnung wird alle zwei Jahre verliehen. Gestiftet wurde der international anerkannte Preis 1976 von Louise Piëch, der Tochter von Ferdinand Porsche, und dann 1977 zum ersten Mal vergeben. Das Preisgeld in Höhe von 50.000 Euro tragen je zur Hälfte die Porsche Holding Salzburg und die Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG mit Sitz in Stuttgart.
In folgenden Newsroom-Beiträgen finden Sie weitere Informationen zur Historie des "Porsche Preis" und der Preisverleihung 2023.