Neuer Einstieg in die Dauerausstellung des Porsche Museums
Die Besuche im Porsche Museum sollen sich nicht gleichen – so der Anspruch der Abteilung Porsche Heritage und Museum in Stuttgart-Zuffenhausen. Fortlaufend wird die Ausstellung aktualisiert und interaktiver gestaltet. In den vergangenen Monaten haben sich die Verantwortlichen intensiv mit dem Prolog beschäftigt, dem einleitenden Teil der Ausstellung. Sobald die Gäste mit der langen Rolltreppe und dem besonderen Ausblick in die Bibliothek des Unternehmensarchivs oben angelangt sind, beginnt für sie eine spannende Zeitreise. „Wir freuen uns sehr, dass wir den überarbeiteten Prolog nach mehr als einem Jahr Recherche, Planung und Umsetzung unseren Besucherinnen und Besuchern präsentieren können. Wir haben viele neue interaktive Touchpoints installiert. Mehr als 20 Stationen, drei Funktionsmodelle und zahlreiche noch nie gezeigte Exponate warten auf unsere Gäste“, sagt Achim Stejskal, Leiter Porsche Heritage und Museum. „In unserem neuen Prolog sehen wir mehr Gesichter denn je hinter unserer Geschichte und werden sehr viel menschlicher. Wir schauen uns nicht nur Ferdinand und Ferry Porsche an, sondern auch das Team der beiden“, verrät Stejskal.
Was man zu Beginn sieht, wenn der Besucher die letzte Stufe der Rolltreppe erreicht hat, ist das älteste, noch erhaltene Fahrzeug, an dem Ferdinand Porsche mitgearbeitet hat: Der Egger-Lohner C.2 aus dem Jahr 1898 steht als Willkommensgruß auf einem Podest, sinnbildlich für das Leitthema „Future-Heritage“. Denn die Geschichte von Porsche beginnt elektrisch. Über die Faszination für Elektrizität ist Ferdinand Porsche dann zur Elektromobilität gekommen. Vor 123 Jahren rollte das Mobil mit Vorderachslenkung und Oktagon Elektromotor im Heckteil eines Lohner-Kutschwagens erstmals über die Straßen Wiens. Schon am Startpunkt bündelt sich also die Porsche Zeitgeschichte und verbindet die Vergangenheit mit der Gegenwart – mit Hilfe modernster Technologie.
Der Auftakt der Ausstellung gibt den Gästen einen Überblick über die kommenden Stationen. Dank der Neukonzeption des Prologs wird das Besuchserlebnis von Beginn an vielseitiger. Digital-analoge Inszenierungen wechseln sich mit Edutainment und mehr Interaktivität ab: von Ferdinand bis Ferry Porsche – von 1875 bis 1949. Auf der einen Seite erwartet die Gäste der Bereich des Firmengründers Ferdinand Porsche mit den Exponaten Lohner Porsche „Semper Vivus“ und dem Löschfahrzeug Austro Daimler „Motorspritze“. Auf der anderen Seite widmet sich der Prolog Ferry Porsche der Produktionsstätte Gmünd in Kärnten. Dort können Jung und Alt unter anderem den Typ 360 „Cisitalia“ sowie den 356 „Nr. 1“ Roadster, den ersten Sportwagen mit dem Namen Porsche aus dem Jahr 1948 und ein 356/2 Gmünd Coupé bewundern.
Das erste Ausstellungsstück fokussiert sich auf das Leben und Wirken von Ferdinand Porsche im Angestelltenverhältnis. Nach seiner Mitarbeit am Motor des Elektromobils entwirft er den Radnabenmotor, anschließend das erste funktionsfähige Voll-Hybridfahrzeug der Welt. „Einer der Meilensteine der Geschichte ist die Hybridisierung und die Tatsache, dass Ferdinand Porsche mit Elektromotoren und nicht mit Verbrennungsmotoren begonnen hat. Der Radnabenmotor ist ein spannendes Exponat. Seine Innovation war es, den Motor lenkbar zu machen“, fasst Kuratorin Iris Haker zusammen. Der „Lohner-Porsche“ sorgte im Jahr 1900 für Aufsehen auf der Pariser Weltausstellung. Mit dem „Semper Vivus“, dem ersten Vollhybridautomobil der Welt, betrat Ferdinand Porsche im gleichen Jahr weiteres technisches Neuland. Bei diesem Modell bildeten zwei mit Benzinmotoren gekoppelte Generatoren eine Ladeeinheit, die die Batterien und damit die Radnabenmotoren mit Strom versorgten.
„Der Prolog arbeitet auch die bemerkenswerte Vorgeschichte der Marke Porsche heraus und beantwortet die Fragen: Warum ist der Unternehmenssitz in Stuttgart? Woher kommt die Beziehung zwischen Serienfahrzeugen und Motorsport? Wie hängen die Familien Porsche und Piëch zusammen? Welchen Ehrendoktor führt Porsche heute noch im Firmennamen?“, sagt Frank Jung, Leiter Porsche Unternehmensarchiv. Eines seiner Lieblingsstücke ist das digitale Familienalbum. Darin sind sehr persönliche Fotos vom jungen Ferry Porsche abgebildet, beispielsweise wie er 1912 mit einem kleinen selbstgebauten Auto seine ersten Fahrversuche unternimmt. Auf einem Touchscreen können sich Interessierte durch das Album navigieren. „Ein wesentlicher Bestandteil der Firmengeschichte ist außerdem die Gründung des Konstruktionsbüros 1931, die wir an einem Konstruktionstisch nachgebildet haben“, erklärt Jung das Fundament des Unternehmens und der heutigen Marke Porsche. Er zeigt die verschiedenen Stationen und Entwicklungen, die teilweise parallel gelaufen sind. „Wir sehen uns nicht nur Ferdinand und Ferry Porsche, sondern auch das gesamte Team an“, fährt er fort. Ferdinand Porsche nutzte sein Netzwerk, um ab 1931 frühere Kollegen als Mitarbeiter und Gesellschafter wie beispielsweise Adolf Rosenberger zu gewinnen und für seine Ideen zu begeistern. Das Team des Vaters half auch seinem Sohn Ferry, in der Nachkriegszeit dessen Vision von einem eigenen Sportwagen umzusetzen. An der neu geschaffenen Station Konstruktionsbüro warten acht Kleinexponate auf die Besucherinnen und Besucher, beispielsweise das erste Auftragsbuch, ein digitales und interaktives Zeichenbrett, eine Drehstabfederung sowie die Antriebsschraube eines Schwimmwagens. Auf dem Konstruktionstisch liegen technisch gesehen viele Entwicklungen der frühen Zeit, Originalexponate ebenso wie Funktionsmodelle. Auch die Entwicklung des Volkswagens – ursprünglich der Porsche Typ 60 – wird dort zusammenhängend erklärt. Die Aufarbeitung der technischen Historie visualisiert die Funktionsweise des Vier-Takt-Boxermotors. „Der aufgeschnittene Motor ist sicherlich einer unserer interaktiven Höhepunkte“, verspricht Haker.
Den Verantwortlichen des Porsche Museums ist es wichtig, ein besseres Verständnis für die Zeit vor 1948 zu schaffen. Denn auch wenn das Jahr 1948 der Beginn der Marke Porsche ist, reicht die Historie des Unternehmens viel weiter zurück. Im neuen Prolog werden auch der Nationalsozialismus und die Zeit des Zweiten Weltkriegs intensiv behandelt. In einem weitverzweigten Schaubild verdeutlicht das Museum das komplizierte, politische Netzwerk, in dem das Unternehmen und die Personen agierten. Neben dem Stammbaum des Volkswagens und den daraus entstandenen militärischen Versionen erhalten die Gäste auch Informationen über die Panzerentwicklung bis hin zum Kampfpanzer Maus, den Porsche unter der Projektnummer 205 entwickelte. Besonders wichtig ist es dem Unternehmen, dass sich die Station den Zwangsarbeitern widmet, die in den 1940er-Jahren in Stuttgart eingesetzt wurden. Unter den persönlichen Zeitzeugen-Dokumenten befinden sich die Arbeitskarte und der Betriebsausweis des Franzosen Jean Cast. Mit den Exponaten kann das Porsche Museum nahezu lückenlos die Geschichte des französischen Fremdarbeiters erzählen.
Die vierte und letzte Station widmet sich dem Neustart in Gmünd und der Rückkehr nach Stuttgart. Ferry Porsche übernimmt das Konstruktionsbüro und begründet die Marke Porsche. Dort dürfen die Besucherinnen und Besucher mittels virtueller Realität in die Gmünder Produktion eintreten und ihren eigenen Porsche 356 dengeln und lackieren. Ebenfalls spielerisch geht es an der Station des „Cisitalia“ Motors zu, der zum ersten Mal in der Ausstellung zu sehen ist. Im Lauf des Jahres 1947 entstand in Gmünd der technisch besonders anspruchsvolle Typ 360 „Cisitalia“, ein 1.5-Liter Grand Prix-Wagen, für den Ferry Porsche und sein Team verantwortlich zeichneten. Direkt neben dem Exponat können Interessierte einen digitalen Schatten des V-Zwölfzylinder-Motors (180 Grad Zylinderbankwinkel) auf einem Monitor sehen und mehr über die Art der Bauweise und die Besonderheiten des Rennwagenprojekts erfahren. Auf dem digitalen Prüfstand können die Gäste dann selbst Gas geben und den einzigartigen Motor virtuell in Aktion erleben. „Uns ist es gelungen, die Ausstellung anzureichern und sie in logische Häppchen zu portionieren, sodass unsere Gäste auch beim fünften Besuch noch etwas entdecken können“, fasst Haker zusammen. Im mehrsprachigen Multimediaguide erhalten Interessierte viele weitere Zusatzinformationen.
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